Das letzte grosse Abenteuer unserer 4 ¾ jährigen Reise beginnt. Während 4 Wochen schippern wir von Südamerika nach Europa. Wir leben gemeinsam mit den Matrosen in einfachen Kabinen auf einem Frachtschiff und nutzen die Zeit, um unsere Reise abzuschliessen und uns auf einen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten. Schweiz wir kommen…
Route: Montevideo (Uruguay), Victoria (Brasilien), Santos (Brasilien), Rio de Janeiro (Brasilien), Dakar (Senegal), Tanger (Maroko), Antwerben (Belgien)
Es kann losgehen
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön, denn da kann man den Matrosen bei der Arbeit zusehn. Mit gemischten Gefühlen fahren wir pünktlich um 1000Uhr ins Hafengelände von Montevideo ein, wo wir bereits von der Agentin erwartet werden. Während sie die Passformalitäten erledigt, lernen wir Claudia und Martin (viaje.ch) aus der Schweiz kennen, welche ebenfalls nach einer langen Reise mit dem Schiff nach Hause fahren. Kurze Zeit später stehen wir mit unserem klein wirkenden Friedli neben dem riesigen Frachtschiff mit dem Namen „Grande Francia“, welches für die nächsten vier Wochen unser Zuhause sein wird. Bei dem Schiff handelt es sich um ein sogenanntes Roll-On-Roll-Off von der italienischen Reederei Grimaldi. Dieses bietet Platz für ca. 3'000 Fahrzeuge und mehrere hundert Container. Kaum sind die Fotos im Kasten, werden wir angewiesen, über die schiffseigene Rampe in das grosse Ungetüm zu fahren. In einer Nische wird Friedli parkiert und mit Spannsets fest verzurrt. Bevor wir alles Gepäck ausladen, trennen wir die Batterien und hoffen, dass sie im Zielhafen wieder anspringen. Mit grosser Spannung steigen wir in den Lift, um in den 12. Stock zu gelangen und fragen uns, was uns wohl alles erwarten wird. Wir beziehen unsere Kajüte mit Fenster, Kühlschrank und eigenem Badezimmer und versuchen, uns zu orientieren auf unserem Zuhause auf Zeit.
José, der Chef de Service, überrascht uns sehr positiv mit einem ersten Mittagessen. An einem weiss gedeckten Tisch werden wir mit 4 Gängen und einem Fläschchen Wein verwöhnt. Im gemeinschaftlichen Aufenthaltsraum steht neben einer grossen Anzahl an Büchern, Videos und Spielen, ein Tischfussballtisch zur freien Benutzung zur Verfügung. Zudem hat es einen Fitnessraum und eine Waschmaschine zur freien Nutzung.
Leben an Deck
Während der ersten Tage, entlang der brasilianischen Küste, regnet es immer wieder. Nach jeweils zwei bis drei Tagen auf offener See legen wir in Santos, Rio de Janeiro und Victoria an. Dies sorgt jeweils für Abwechslung und etwas Aufregung.
Je nördlicher wir kommen, desto mehr werden wir mit Sonnenschein und angenehmen 28°C verwöhnt. Gepaart mit dem Fahrtwind auf dem 100 Meter langen Deck, fühlt sich das auf unserer Haut sehr angenehm an. Egal, ob wir Bücher verschlingen, ins Weite blicken und unsere Gedanken schweifen lassen oder auf Deck unsere Runden drehen, um uns fit zu halten, die Tage vergehen unglaublich schnell. Das Fernglas und die Kamera sind ständig griffbereit, auch wenn wir erstaunlich wenig Tiere sehen, geben wir nicht auf und werden mit einem Wal und einigen wenigen Delfinen belohnt. Besonders faszinieren uns die fliegenden Fische, welche knapp über der Wasseroberfläche über die Wellen schweben und von unserem Deck aus, welches sich etwa 25 Meter über der Wasseroberfläche befindet, winzig erscheinen. Unser Schiff ruckelt gemütlich aber konstant mit 25-28 Kilometern pro Stunde Richtung Europa.
Hafenarbeiten
Besonders spannend erleben wir jeweils die Tage in den Häfen. Immer wenn unser Captain auf der Schiffsbrücke herum tigert und wartet, bis der Lotse an Board steigt, deutet das darauf hin, dass wir kurz vor einer Hafeneinfahrt stehen. Wenn dann die Taue fixiert sind und die Laderampe den Boden berührt, wird es hektisch. Autos, Lastwagen und Baumaschinen werden raus und reingefahren, Container beladen, und das Ganze in Windeseile. Uns fasziniert die Logistik, welche hinter diesen Be- und Entladungen steckt genauso wie die unterschiedlichsten Hilfsmittel, welche an den unterschiedlichen Häfen zum Einsatz kommen. Vom modernsten vollautomatischen Container-Kran bis zur rostigen Schubkarre können wir alles erspähen. Stundenlang stehen wir auf der Brücke und sehen interessiert dem Gewusel im Hafen zu.
Matrosen-Geschichten
Die Grande Francia ist wie bereits erwähnt kein Kreuzfahrtschiff, welches für Touristen gemacht ist, sondern ein Frachtschiff, welches über 30 Matrosen ihr Zuhause auf Zeit nennen. Auf unserem Schiff leben Italiener, welche vorwiegend für die Navigation des Schiffes sowie die Administration zuständig sind. Sie arbeiten im Schichtbetrieb jeweils 2 mal 4 Stunden pro Tag. Normalerweise arbeiten sie während 4 Monaten an Board und haben danach 2 Monate Pause. Im Gegensatz zu den Filipinos, welche bis zu 8 Monaten am Stück auf dem Schiff sind. Sonntagnachmittag ist jeweils arbeitsfrei, da wird Karaoke gesungen. Wir werden dazu eingeladen und kommen so mit dem ein oder anderen ins Gespräch.
Pizza, Pasta und vieles Mehr
Für das leibliche Wohl sorgt unser italienischer Koch mit seiner Crew. Immer wieder von neuem werden wir überrascht mit Leckereien. Vor allem die Antipasti sind sehr lecker und meistens wären wir nach der Vorspeise bereits satt, und trotzdem gelingt es nur selten, einen Gang auszulassen. Jeden Samstag gibt es Pizza. Von einem Crewmitglied erfahren wir, dass es seinen Arbeitseinsatz nicht in Wochen zählt, sondern in Anzahl Pizzen.
Ankunft in Europa
Auch unsere Tage sind gezählt. Die 4 Wochen vergehen wie im Fluge, und wir freuen uns, endlich in Europa anzukommen. Die Ankunft muss jedoch verdient werden. Um nach Antwerpen zu kommen, muss unser Frachtschiff zuerst die Erlaubnis vom Hafen bekommen und einen Lotsen an Bord nehmen. So kommt es, dass wir in einem Warteraum auf dem Meer mit ca. 50 anderen Schiffen 2 Tage warten. Am ersten Tag wegen des fehlenden Lotsen an Board und am zweiten Tag wegen eines aufziehenden Sturms, der die Fahrt durch den Kanal verhindert. Bei Nacht erreichen wir den flächenmässig grössten Hafen der Welt. Die Fahrt durch den Hafen bis an unseren Anlegeplatz bei Nacht ist ein Erlebnis der besonderen Art, welche sogar eine Schleusendurchfahrt beinhaltet. Am nächsten Morgen geht es per Taxi ins Immigrationsbüro, und dann ist es soweit. Wir fahren gemeinsam mit Friedli ohne eine einzige Kontrolle aus dem Hafen und können unser Glück kaum fassen. Wir sind nach unvergesslichen, unfallfreien 4 ¾ Jahren gemeinsam mit unserem treuen Friedli wieder in Europa.