Wir sehen brennende Berge, bewundern kalbende Gletscher, werden vom Winde verweht, erreichen das Ende der Welt und werden überrascht von spannenden Begegnungen. Wir wandern an Weihnachten und essen Kirschen im Januar.
Route: Paso Roballo, Tres Lagos, El Chalten, Lago Roca, El Calafate, Rio Turbio, Puerto Natales, Punta Arenas, Provenir, San Sebastian, Rio Grande, Ushuaia, Rio Grande, San Sebastian, Cerro Sombrero, Pali Aike, Puerto Natales, Torres del Paine, Cerro Castillo, Esperanza, Puerto, San Julian, Puerto Deseado, Caleta Olivia, Perito Moreno, Los Antiguos, Chile Chico, Cochrane, Caleta Tortel, Cochrane, Chile Chico, Los Antiguos
Ein Stier stellt sich in unseren Weg (Paso Roballo)
Mit dem Ziel, möglichst zügig nach Ushuaia zu gelangen, verlassen wir die Carretera Austral und fahren auf einer schmalen, steinigen Strasse Richtung Grenze nach Argentinien, über den Paso Roballo. Kurz bevor wir den Grenzposten erreichen, stellt sich uns ein mächtiger, schwarzer Stier in den Weg und signalisiert mit seiner Körperhaltung, hier bin ich der Chef. Wir beobachten die Situation und legen vorsichtshalber den Rückwärtsgang ein. Er beobachtet uns mit Adleraugen und schreitet immer wieder auf uns zu. Wir hingegen setzen Stück für Stück zurück. Nach 10 Minuten Geduld, gelingt es uns dann, ihn zu passieren. Jetzt sind wir bereit für die offiziellen Grenzformalitäten. Ein weiteres Mal überqueren wir die Grenze zwischen Argentinien und Chile locker und entspannt und finden etwas später einen traumhaft gelegenen Übernachtungsplatz am Lago Ghio. Weit und breit keine Menschenseele, nur ein paar Guanakos weiden ungestört auf den unendlich scheinenden Prärien.
Brennende Berge (El Chalten)
Zurück auf der Ruta 40 halten wir uns immer Richtung Süden. Dank der guten Wetterprognose entscheiden wir spontan, die 100 Zusatzkilometer nach El Chalten, zum bekannten Fitz Roy Massiv, unter die Räder zu nehmen. Während wir uns dem Bergmassiv nähern, halten wir immer wieder an und glauben, jetzt ein Foto machen zu müssen, da das Wetter in Patagonien sehr schnell ändern kann. Nach einer kurzen Information im Visitercenter starten wir um 10 Uhr mit einer Wanderung zum Lago Torres. Mal haben wir freie Sicht, dann sind die mächtigen Felstürme wieder wolkenverhangen, es ist ein stetiges Farbenspiel, welches sich vor uns abspielt. Kaum haben wir unser Lunchpäckli verschlungen, verhüllen sich die Berge ganz in dunkle Wolken. Nach 20 km Wanderns gönnen wir uns eine feine Pizza im Restaurant und legen uns zufrieden ins Bett. Der Wecker ist auf 05.00 Uhr gestellt. Wir wollen vom nahen Mirador aus den Sonnenaufgang verfolgen. Ein weiteres Mal lohnt sich das frühe Aufstehen. Die Sonne verwandelt das Bergmassiv in eine rot glühende Landschaft, welche uns fast den Atem raubt. So verlassen wir diesen tollen Ort wieder, zufrieden, nach nur 23 Stunden.
Kalbende Gletscher (Perito Moreno)
El Calafate nutzen wir erstmal nur, um unsere Vorräte aufzustocken und fahren gleich weiter an den Lago Roca, wo wir einen gemütlichen Campingplatz am See finden. Das Wetter macht Kapriolen, und so legen wir einen Ruhetag ein. Fotos werden sortiert, Reisebericht geschrieben und Friedli gepflegt. Hier treffen wir unerwartet auf Elke & Bernd, die wir in Brasilien kennengelernt haben. Entsprechend viel haben wir uns zu erzählen und verbringen einen gemütlichen Abend zusammen. Dank ihren Tipps machen wir uns frühmorgens auf den Weg zum Perito Moreno Gletscher und stehen kurz vor Parköffnung vor der noch geschlossenen Schranke. Eine kurvenreiche Strasse bringt uns bis zu den toll angelegten Besucherterrassen, von wo wir den ganzen Tag bei herrlichem Wetter, aus verschiedenen Winkeln, die 60-80 Meter hohe Gletscherfront betrachten. Es grollt und knackt im Zehn-Minuten-Takt. Die Frage ist nur, wo das nächste Stück abbrechen wird und wie gross es wohl sein mag.
Zu Gast im „Mesita Grande“ (Puerto Natales)
Je südlicher wir kommen, desto karger wird die Landschaft. Mit Rio Turbio durchfahren wir eine Minenstadt, wo alte und neue Gerätschaften das Landschaftsbild prägen, farbige Häuser sucht man vergebens. Der Grenzübertritt nach Chile verläuft reibungslos und schon befinden wir uns auf der Talfahrt nach Puerto Natales. Hier bläst uns der Patagonische Wind so richtig entgegen. Neben dem Tourismusbüro finden wir einen tollen Stellplatz direkt am Meer und freuen uns bereits auf unser Wiedersehen mit Bugi. Ihn haben wir auf der Fährfahrt von Hornopierén nach Leptepú kennengelernt. Seine Tochter ist Honorarkonsulin der Schweiz und führt hier zusammen mit ihrem chilenischen Mann ein Restaurant. Im „Mesita Grande“, was auf Deutsch grosses Tischlein bedeutet, hat es einen grossen Tisch, wo sich Gäste aus aller Welt treffen und so ins Gespräch kommen. Zusammen verbringen wir einen tollen Abend mit Pisco Sauer, leckerer Pizza und spannenden Gesprächen. Als Abschluss kosten wir eine Spezialität des Hauses, den Pizza-Strudel. Eine Pizza mit geraffelten Äpfeln, Nussstücken mit Zimt und einer Kugel Vanilleglace ist einfach ein Gedicht. Danke Bugi und Sandra für den gelungenen Abend.
Stadt an der Magellanstrasse (Punta Arenas)
In der einzigen Stadt an der Magellanstrasse, in Punta Arenas, wollen wir in der Zona Franca (zollfrei) einige elektronische Geräte ersetzen. Schnell stellen wir jedoch fest, dass diese teurer sind als in der Schweiz. So ersetzen wir nur die vom vielen Gebrauch gezeichneten Outdoor Kleider, gönnen uns in der zweiten Filiale des Mesita Grandes einen weiteren Pizza-Strudel und flanieren danach gemütlich durch das Städtchen. Der Dieseltank wird randvoll gefüllt, bevor wir nach Terra del Fuego (Feuerland) übersetzen. Beat, der Zahlenmensch, erfasst jeweils abends alle unsere Reisekosten in einer Excel Tabelle. Heute bilden sich tiefe Falten in seinem Gesicht. Der Preis übersteigt den Tankinhalt bei weitem. Nach einer kurzen Diskussion und der Tatsache, dass es sich doch um umgerechnet 90 CHF handelt, fahren wir zur ausnahmsweise nur gerade 3 km entfernten Tankstelle zurück. Als wir dem Tankwart unser Anliegen schildern, werden wir gleich in den Überwachungsraum gebeten. Nur kurze Zeit später ist der Fehler gefunden und wir erhalten das zu viel bezahlte Geld anstandslos in bar zurück. Uff, nochmals gut gegangen. Beruhigt verlassen wir am nächsten Morgen mit der Fähre die Stadt, welche uns über die Magellanstrasse nach Provenir und somit nach Feuerland bringt.
Vom Winde verweht (Feuerland)
Wir freuen uns richtig, endlich Feuerland zu betreten. Die Überfahrt mit der Fähre ist bei Sonnenschein und wenig Wind sehr entspannt. Doch kurz vor unserer Ankunft wechselt das Wetter schlagartig. Starker, patagonischer Wind peitscht uns ins Gesicht, so dass wir die Türen beim Öffnen immer festhalten müssen. Erste Bäume, die von Wind und Wetter gezeichnet sind, stehen wie Fahnen im Wind. Ab sofort werden unsere Übernachtungsplätze nicht mehr nach Aussicht, sondern nach Windschutz ausgesucht. In San Sebastian finden wir diesen hinter einem Restaurant direkt vor der Grenze zu Argentinien. Oft fahren wir bereits morgens um sechs Uhr los, da der Wind noch nicht so stark ist. Uns gefällt das Fahren durch eine endlos scheinende, flache Steppenlandschaft. Mittlerweile fordert der Wind von Fahrer und Fahrzeug volle Konzentration. Denn die seitlichen Böen setzen nicht nur uns, sondern auch dem Gegenverkehr heftig zu. Speziell Motorrad- und Fahrradfahrer bekunden Mühe, auf ihrer Fahrbahn zu bleiben. Kurz vor unserem Ziel, Ushuaia, muss nochmals ein kleiner Pass überquert werden. Für uns unerwartet, für hier ganz normal, da nicht selten alle Jahreszeiten an einem einzigen Tag stattfinden, ist dieser gerade schneebedeckt. Doch dann liegt es vor uns, das „Ende der Welt“.
Überraschung am Ende der Welt (Ushuaia)
Vor 868 Tagen sind wir am arktischen Ozean, in Prudhoe Bay Alaska, losgefahren. Auf die Frage: wo geht ihr hin? war unsere Antwort stets, nach Süden, nach Ushuaia. Und nun sind wir hier... Wir können es noch gar nicht fassen. Dazwischen liegen 80'491 unfallfreie Kilometer, 17 Länder und unvergessliche Begegnungen. Beim obligaten Foto an der Ortseingangstafel wissen wir noch nicht, dass die nächsten unvergesslichen Begegnungen gleich folgen werden. Im Hardrock Cafe feiern wir gemeinsam mit Alice und Köbi, nach 8 Wochen zusammen on the Road, diesen speziellen Moment.
Als wir zu Friedli zurückkehren, steckt ein Notizzettel unter unserer Windschutzscheibe. Doris und Fredy Schaffner, unsere quasi Nachbarn aus Anwil, sind ebenfalls für 24 Std in Ushuaia bevor sie eine Tour in die Antarktis starten. Zum Glück klappt es mit einem persönlichen Treffen zum Mittagessen. Das hat uns enorm gefreut.
Kaum zurück im Friedli erhalten wir eine E-Mail von Sepp und Anita aus Lausen Baselland. Ihre Söhne haben wir in Zentralamerika bereits kennengelernt und mit ihnen in Guatemla ein Käsefondue gegessen. Nie im Leben hätten wir da gedacht, dass wir ihre Eltern am Ende der Welt treffen würden. Spontan essen wir gemeinsam Spaghetti im Friedli und verbringen einen lustigen Abend zusammen.
Wandern an Weihnachten (Torres del Paine)
Nach unserer Antarktistour (siehe separater Bericht) heisst es (hoffentlich nur vorübergehend) Abschied nehmen von Alice und Köbi. Sie fahren zügig in wärmere Gegenden. Wir benötigen zwei Tage, bis es nicht mehr schwankt und legen eine Verschnaufpause ein. Danach wollen wir Feuerland ebenfalls zügig verlassen. Für die Überfahrt von Punta Espora nach Punta Delgada meint es dieses Mal das Wetter nicht mehr so gut mit uns. Regen und starker Wind peitschen auf Friedli während wir auf die Fähre warten. Danke den Tonino-Delphinen, die uns während der Fährfahrt mit kurzen Showeinlagen etwas ablenken. Zusammen mit Alex und Johanna wandern wir durch den Nationalpark Pali Aike über ein grosses Lava Feld und in einen Krater, bevor wir weiter nach Puerto Natales fahren. Erneut besuchen wir Sandra (Schweizer Honorarkonsulin) mit ihrer Familie, bevor wir uns bewusst vor Weihnachten auf den Weg in den Torres del Paine Nationalpark aufmachen. Der Park ist bekannt für seine nadelförmigen Felsformationen und den starken Wind. Als Beats Wetter-App für den 25. Dezember ein windfreies Fenster anzeigt, packen wir die Gelegenheit und machen uns bereits morgens um 6.00 Uhr auf die 10 Kilometer lange Wanderung zum Mirador las Torres. Anfänglich hüllen sich die Türme noch in Wolken und wir können ihre Grösse nur erahnen. Wie gewünscht, enthüllen sich die Türme bei unserer Ankunft an der Lagune. Was für ein Weihnachtsgeschenk.
Wiedersehensfreude an Silvester (Puerto Deseado)
Nach vier beeindruckenden Tagen im Torres del Paine und vielen Tierbegegnungen fahren wir quer durch Argentinien an die Ostküste und widmen uns den versteinerten Bäumen von Jaramillo und Sarmiento. Unglaublich faszinierend, was die Natur im Stande ist. Bis zu 3 m dicke und 100 m lange Baumstämme wurden unter der Einwirkung von Vulkanasche und Wasser in 120 Millionen Jahren einfach versteinert. Exakt zum Ende des Jahres haben wir uns in Puerto Deseado mit Gabriela und Manfred aus Lichtenstein verabredet. Sie haben wir vor anderthalb Jahren in Mexico kennen gelernt. Bevor wir ein gemeinsames Silvestermenü kochen, entdecken wir unweit an einer Steilküste die speziellen, rotfüssigen Kormorane, welche aber vor allem mit ihren weiss punktierten, blauen Augen, faszinieren.
Planänderung (Perito Moreno)
Unsere Reiseplanung ist geprägt von unterschiedlichsten Aspekten. Regen, Schnee oder eben patagonischer Wind zwingen uns manchmal, kurzfristig die Route zu ändern oder anzupassen. So kommt es, dass wir einmal sogar noch um 17.30 Uhr, nach eingehendem Studium unseres Wetter-Apps (Weather-Track), nicht wie geplant zum Übernachten 30 km nördlich bis ins nächste Dorf fahren, sondern direkt 240 km südlich, davon 140 km Schotterpiste quer durchs Land bis nach Perito Moreno. Nur gerade 15 Minuten vor Eindunkeln fallen wir müde und erledigt ins Bett. Dafür windet es am Morgen nur mit ca. 40 km/h, anstelle der 80-100 km/h in Sarmiento. So können wir entspannt den angepeilten Besuch der Cuevas los Manos angehen.
Ans Ende der Carretera Austral (Villa O`Higgins)
Auf der Weiterfahrt im Grenzort Los Antiguos erfahren wir vom jährlichen Kirschenfest, das jedoch erst in einer Woche stattfindet. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen und legen kurzerhand eine Zusatzschlaufe ein. So überqueren wir die Grenze nach Chile Chico und fahren auf einer ruppigen Schotterstrasse den Felsen und dem Lago General Carrera entlang. Die Sonne lässt den zweitgrössten See Südamerikas in unterschiedlichsten Blautönen erstrahlen, so dass wir ständig Fotostopps einlegen und nur langsam vorwärts kommen. Zurück auf der Carretera Austral heisst unser Ziel jetzt Caleta Tortel. Das kleine Fischerdorf war bis 2008 nur über den Wasserweg erreichbar und hat keine Strassen. Die Häuser sind nur über knarrende Holzstege zugänglich und die Wälder rundum sind abgeholzt.
Nur noch 150 km Schotterpiste trennen uns von Villa O`Higgins, dem südlichen Ende der Carretera Austral. Da wir nun so nah sind, nehmen wir auch diese noch unter die Räder. Die Strecke führt uns nach einer 40minütigen Gratis-Fährfahrt über bewaldete Hügel und durch sumpfige grüne Weiden. Ausser Schafen, einigen Gauchos und unzähligen Radfahrern sind wir alleine in dieser ruralen Gegend und geniessen die Einsamkeit.
Das Kirschenfest (Los Antiguas)
Pünktlich zum nationalen Kirschenfest sind wir wieder zurück in Los Antiguos. Für uns sind Feste immer eine gute Gelegenheit, die Kultur eines Landes besser kennen zu lernen. Die Strassen sind voll von Verkaufsständen und Fressbuden. Beim genaueren Hinsehen vermissen wir jedoch die traditionellen Köstlichkeiten aus Argentinien. Das Angebot hat sich veramerikanisiert und besteht vorwiegend aus Hotdogs, Hamburgern und Pommes. Dafür findet ein Rodeo mit traditionell gekleideten Gauchos statt. Ganz unter dem Motto: früh übt sich, wer ein Champion werden will, besteigen bereits Dreikäsehoch die Ponys und kämpfen gegen den Abwurf. Drei Brüder machen sich neben uns auf der Tribüne bereit für ihren Höllenritt in der Manege. Zu unserem Erstaunen teilen sie sich ein und dasselbe Paar Fellschuhe und die Sporen zum Reiten.