Nach 2900km überqueren wir den englischschottischen Grenzpass Carter Bar. Im letzten Monat haben wir viel erlebt, die Begegnungen mit den freilaufenden Hochlandrindern, der Besuch der
Highlandgames, die Singeltracks entlang der Whiskydestilierien, sowie die Ruhe des dünnbesiedelten Highland, abgerundet durch unser Wetterglück werden noch lange in guter Erinnerung
bleiben.
Es dauert einige Tage bis wir wirklich in Schottland ankommen, auch wenn die Landschaft eine gewisse Ähnlichkeit mit Irland aufweist vermissen wir anfangs die bunten Häuser. In Schottland sind die meisten Häuser in verschiedenen braun- oder grautönen gebaut, dies lässt die Städtchen eher kühl und irgendwie mystisch erscheinen.
Auf unserer Stadtführung durch Glasgow, erfahren wir neben all den geschichtlichen Hintergründen über die Stadt auch, dass dieses Wochenende in Danoon das Cowal Highland Gathering statt findet. Die traditionellen Elemente dieses Events ziehen Schotten sowie Touristen an. Wir nützen diese Gelegenheit um schottische Traditionen kennen zu lernen und landen mitten in einem bunten Volksfest. Das Einspielen der Dudelsäcke erinnert uns ein wenig an Fasnacht. Auf einem Sportplatz stehen unzählige verschiedene Bands und spielen sich ein für ihren grossen Auftritt. Dies hat zur Folge, dass mehrere Melodien gleichzeitig ertönen. Die „World Highland Dancing Championchips“ (Weltmeisterschaft des traditionellen Tanzes) sind auf der Hauptbühne bereits in vollem Gange. Gleichzeitig finden die „Heavy Athletics“ statt. Dies ist ein Mehrkampf, in welchem sich die stärksten Männer sowie Frauen im Kugelstossen, Steinwerfen, Baumstammschiessen und anderen Kräfteraubenden Disziplienen messen. Wir stärken uns mit „Haggis“ ein typisch Schottisches Gericht dass mit Wyskie-Sauce und Kartoffelstock serviert wird. Es schmeck ähnlich wie Hamburger, besteht aber aus Schafsherz und Leber, wird gemischt mit Haferflocken und dann im Darm des Tieres gekocht.
Unsere ersten Single-Track-Roads fahren wir auf der Insel Sky. Es handelt sich dabei um enge einspurige Strassen, welche immer auf Sichtweite eine Ausweichstelle haben und so ein gemächliches, recht entspanntes Fahren gewährleisten. Gegenverkehr ist wenig auf der Strasse, dafür kreuzen wir ca. 200 Schafe, welche von einem Hirten mit Quad von einer Weide zur andern getrieben werden. Wir geniessen die engen Küstenstrassen mit Blick auf die schroffen Klippen und sehen die ersten schottischen Hochlandrinder.
Weiter erkunden wir die äusseren Hebriden-Inseln Harris und Lewis, die wir mit der Fähre erreichen.
Sofort sind wir begeistert von der Landschaft auf der Insel Harris. An der Westküste treffen wir auf traumhafte, flache Sandstrände welche in der Sonne strahlen. Wobei die Ostküste mit ihren kargen Felsbrocken, den blühenden Erika und den vielen kleinen Seen, irgendwie an eine andere Welt erinnert. Hier scheint die Zeit stehen zu bleiben und die Welt noch in Ordnung zu sein. Im Gespräch mit einer älteren Dame erfahren wir, dass viele Häuser nicht mit dem Auto erreichbar sind. Dies komme noch von Früher, als die Zufahrt der Häuser nur per Schiff möglich war. Da die Insel nicht dicht besiedelt ist, braucht die Dame 25 Minuten zu Fuss um ihren nächsten Nachbarn zu besuchen.
Wir lernen täglich dazu. Da wir immer die beste Aussicht haben wollen und uns möglichst zu forderst platzieren, beziehen wir neu die Windanfälligkeit bei der Wahl des Übernachtungsplatzes mit ein. So stellen wir Friedli prophylaktisch mit der Front genau in den Wind. Dies erspart uns das nächtliche um parkieren wenn Friedli im Wind schaukelt und die Windgeräusche uns vom Schlafen abhalten.
Unübersehbar sind die unzähligen „Yes“ und etwas weniger „No Thanks“ in Vorgärten, an Windschutzscheiben oder auf Schafweiden. Sie weisen auf die Abstimmung des 18.September 2014 hin, an welchem die Schotten die einmalige Gelegenheit haben den Grundstein für ihre Unabhänigkeit zu legen. Wir werden dabei sein und halten euch natürlich auf dem Laufenden.
Wir geniessen die Ruhe im Norden. Zum Einen ist die Landschaft nicht stark besiedelt, zum Andern ist die Hauptferienzeit zu Ende. Auf der Überfahrt von der Insel Lewis nach Ullapool können wir
ein äusserst seltenes Naturschauspiel live mitverfolgen. Eine riesige (geschätzte 100) Gruppe Delphine schwimmt an unser Fähre vorbei. Vor lauter Begeisterung haben wir das Fotografieren fast
vergessen. In Durness treffen wir unerwarteter Weise auf Nadja und Mathias, zwei Thurgauer die seit 5 Monaten unterwegs sind. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus, profitieren von ihren
Fischerkenntnissen und verbringen einen kurzweiligen Abend zusammen, bevor wir uns am nächsten Morgen in entgegengesetzte Richtungen
auf den Weg machen. Selbstverständlich legen wir in Bettyhill einen Fotohalt ein. Wir erkunden den Ort und geniessen die herrlichen
Ausblicke auf endloslange Sandstrände die den Ort umgeben. Weiter zieht es uns an den nördlichsten Punkt des Festlands vom United Kingdom, den Dunnet Head. Bei starkem Wind und Sonnenschein
geniessen wir die Aussicht auf den offenen Atlantik. Gleichzeitig mit uns kommen im „touristisch nördlichsten Punkt“, Jon o’Groats ca.
600 Radfahrer an, welche in den letzten 9 Tagen Grossbritanien durchquert und ca. 900 Meilen zurückgelegt haben. Im Unterschied zu ihnen sind wir noch nicht am Ziel. Jedoch bereit für eine neue
Etappe. Ab heute sind wir unterwegs in den Süden.
Ein weiteres mal übernachten wir direkt am Meer, neben dem Leuchtturm Duncansby Head. So können wir mit der Morgensonne eine Wanderung entlang der hohen Klippen zu den Stacks of Duncansby, eine riesige Felsformation etwas ausserhalb der Küste, wandern.
In Lochness hinterfragen wir die populäre These, ob Nessi das Monster ein prähistorisches Reptil ist. Das Wasser des Sees ist voll von irreführenden Illusionen und Spiegelungen, die möglicherweise zu den ursprünglichen Berichten mit dem langen Hals führten. In den letzten Jahren wurde viel erforscht und abgeklärt und trotzdem bleibt noch vieles im Dunkeln. Wir konnten trotz Feldstecher und Geduld das Monster nicht entdecken. Dafür entdecken wir entlang dem Whiskytrail die eine oder andere Whiskydestillerie. Bei der Führung durch die Produktionshallen der Glenfiddich-Destilliere erfahren wir viel Neues und treffen zudem auf 6 Baselbieter aus „Bämbel“, welche mit gemieteten Oldtimern Schottland erkunden.
Den Abstimmungstag verbringen wir in Pitlochry, wo wir den Puls direkt vor dem Abstimmungslokal fühlen gehen. Auf der einen Seite des Einganges haben sich die UK-Getreuen versammelt. Gut zu erkennen an den „Now Thanks-Klebern“. Auf der anderen Seite die Befürworter, die im Schottenrock nach wie vor ihre Yes-Kleber an die Leute bringen.
Von der anwesenden Polizei erfahren wir, dass die Abstimmungslokale bis 22.00 Uhr geöffnet sind, alles von Hand ausgezählt wird und am Morgen noch vor 8.00 Uhr das Resultat bekannt sein wird. 55% der Schotten haben sich gegen eine Unabhängigkeit entschieden. Und doch bleibt nicht einfach alles beim Alten. Dank diesem Referendum wurden viele Diskussionen geführt und Steine ins Rollen gebracht. So sollen die Schotten weitere Rechte erhalten, die allerdings erst noch verhandelt werden.
In St. Andrews treffen wir Roby und Karin, Freunde aus der Schweiz, die uns besuchen kommen. Wir verbringen 2 ½ gemeinsame Tage, die wie im Fluge vergehen.
Beat als Technikbegeisterter zieht es nach Falkirk, wo wir ein 34 Meter hohes Schiffshebewerk ansehen, das ähnlich wie ein Riesenrad funktioniert. Danach nutzen wir einmal mehr einen schön angelegten Bike Park und fahren während 2 Stunden durch herbstliche Wälder.
In Edinburgh verabreden wir uns ein weiteres Mal mit Esther. Eine Reisebekanntschaft aus der Schweiz, die wir in Irland kennen gelernt haben. Gemeinsam besuchen wir Rosslyn Chapel, eine kleine Kapelle, welche durch die Verfilmung des „Sakrileg – The Da Vinci Code“ berühmt wurde. Wir nützen die Gelegenheit, das auffällige Parlaments-Gebäude, während einer Abgeordnetensitzung zu besuchen. Dabei erhalten wir von David, welcher in Edinburgh lebt und als Architekt 3 Jahre an dem Bau gearbeitet hatte, zusätzliche, spannende Informationen über Statik und Symbolik des Gebäudes.
Den Abend lassen wir in Esthers gemietetem Apartement mit Chemine, bei einem Fondue ausklingen. Wie es sich für einen „Schweizerabend in Schottland“ gehört, darf dabei der Whisky natürlich nicht fehlen. Welcher übrigens mit Vanilleglace hervorragend schmeckt.